Jazzfest Bonn 2013 (Jazz Zeitung)

Jede Menge Doppelkonzerte und eine rheinische Erfolgsgeschichte: Eindrücke vom Jazzfest Bonn 2013

 
(nmz) – Mit seiner vierten Ausgabe setzte das Jazzfest Bonn seine Erfolgsgeschichte im Mai 2013 fort – alle sieben Doppel-Konzerte waren bereits Wochen vorher ausverkauft. Es begann mit zwei Lyrikern des Jazz, Gitarrist John Abercrombie und Pianist Marc Copland im Duo. Ihr Set mit ausgiebigen Improvisationspassagen lebte von großer Intimität und gegenseitigem Verständnis.

21.06.2013 – Von Hans-Bernd Kittlaus

Einen krassen Kontrapunkt zu diesem feingliedrigen Kammerjazz setzte ein anderer Altmeister: Rolf Kühn umgab sich mit den drei jüngeren Musikern des explosiven „Tri-O“. Schlagzeuger Christian Lillinger agierte gewohnt fulminant (nicht zufällig heißt eine andere seiner Gruppen Hyperactive Kid), aber immer musikalisch und spannend. Das Bassspiel von Johannes Funk schuf eine rhythmische und klangliche Basis, auf der Gitarrist Ronny Graupe inspirierte Solos beisteuerte. Rolf Kühn folgte mit der Klarinette souverän eigenen Linien, ließ sich manchmal von der Dynamik der Band mitreißen, manchmal setzte er ein durchdachtes ruhigeres Gegengewicht.

Die Sängerin und Pianistin Eliane Elias bot im Trio mit Bassist und Ehemann Marc Johnson und Gitarrist Steve Cardenas brasilianisches Lebensgefühl in Verbindung mit hoher Musikalität. Mit Chet Baker verbundene Songs von ihrer neuen CD wechselten ab mit lateinamerikanischen, etwa von Gilberto Gil, und klassischem Jazz (Bud Powell und Bill Evans). Sie sang überwiegend englische Texte, wobei ihr brasilianischer Akzent gelegentlich irritierte.

Das Bundesjazzorchester, von Niels Klein dirigiert, feierte sein 25-jähriges Bestehen lautstark. Das Bonner Programm stand im Zeichen eines Kompositionswettbewerbes, den das BuJazzO zum zweiten Mal ausgeschrieben und den Stefan Karl Schmid mit dem Titel „Persistence Of Memory“gewonnen hatte. Das Vokalensemble der Bigband stellte die Siegertitel der Kategorie „Bigband und Vocalensemble“ des Wettbewerbes vor. Besonders der junge Bariton Danijel Cacija stach dabei heraus. Der quicklebendige Kolumbianer Edmar Castaneda federte über die kleine Bühne des Beethoven-Hauses und erzeugte – im Stehen spielend und kaum größer als das Instrument – atemberaubende Töne mit ostinatem Bass und perkussiver Spielweise. Hier erfand ein Musiker ein Instrument neu.

Danach wirkten Jasper van’t Hof am Piano und Tony Lakatos am Tenorsaxophon mit ihrem Mix aus Swing, Rockjazz und Modern Jazz geradezu konventionell. Der kongeniale Virtuose van’t Hof spielte impulsiv und sprunghaft. Der ruhende Pol Tony Lakatos setzte harmonische Gelassenheit und melodischen Fluss dagegen. Sie bedienten sich unter anderem beim Repertoire der afrikanisch geprägten Formation Pili Pili, die Jasper van’t Hof vor fast dreißig Jahren gründete.

Neben Eliane Elias bot das Jazzfest drei weitere Sängerinnen. Die Norwegerin Randi Tytingvag machte Pop-Musik für Erwachsene, teilweise anspruchsvoll, teilweise seicht, aber mit schöner voller Stimme. Die Portugiesin Maria João stellte ihre Exzentrik mit einer Darbietung unter Beweis, die Erinnerungen an chinesische Oper und Ausdruckstanz weckte. Die jazzigen Elemente kamen primär durch ihr gutes Trio mit Pianist und Ehemann Mario Laginha ins Spiel.

Die Amerikanerin Patricia Barber schließlich begann ihr Set mit einer schönen Instrumentalversion von „Alone Together“ in Klaviertrio-Besetzung. Ihr Gesangsprogramm gestaltete sie gekonnt als Mischung aus Eigenkompositionen und Standards. Dabei blieb allerdings unverständlich, warum sie ihrem E-Gitarristen Dave Miller erlaubte, ihre Musik, bei der kleinste Nuancen Bedeutung haben, mehrfach brachial zu dominieren. Christoph Lauer spielte sein Tenorsaxofon ausdrucksstark und fulminant auf Coltranes Spuren. Dabei wurde er exzellent unterstützt von Michel Godard an Tuba und E-Bass sowie von Patrice Heral am Schlagzeug.

Der junge Pianist Pablo Held stellte sein siebenköpfiges GLOW Ensemble vor, das auf Helds eingespieltem Trio mit Bassist Robert Landfermann und Schlagzeuger Jonas Burgwinkel basiert. Held versuchte, das auf Gruppenimprovisation ausgerichtete Trio-Konzept auf das Septett zu erweitern, was in großen Teilen gut gelang. Solistisch ragten Niels Klein, Held und Burgwinkel heraus. Till Brönner und Dieter Ilg bestritten ein überzeugendes Duo Konzert am Ende des Festivals. Sie improvisierten viel, wobei sich Brönners coole Trompetenlinien perfekt mit Ilgs wohlgesetzten Basstönen verzahnten.

Insgesamt war diese vierte Ausgabe des Bonner Jazzfests ein voller Erfolg für Organisator (und Saxofonist) Peter Materna und sein engagiertes Team mit Edmar Castaneda und Till Brönner/Dieter Ilg als den herausragenden musikalischen Momenten. Welcher Festivalorganisator verfügt über eine solche Unterstützung durch Partner wie Deutsche Telekom, Deutsche Post, Bechtle und viele mehr, über so interessante Spielstätten und ein Wochen vor Beginn vollständig ausverkauftes Programm? Und der Bonner Oberbürgermeister sagte in entschuldigendem Ton, dass die Stadt jetzt auch etwas beisteuern würde. Also im Vergleich zu den meisten anderen Festivals paradiesische Zustände, die sich Materna sicherlich hart erarbeitet hat. Beim Programm gefällt die Kombination von guten deutschen Bands mit internationalen Gruppen in Doppelkonzerten, die den deutschen Bands ein größeres Publikum verschaffen. Inhaltlich lässt sich das Programm aber noch schärfen. Warum nicht mal Entdeckungen aus USA oder Italien, die man in Deutschland sonst nicht zu sehen bekommt? Und auch der eine oder andere schwarze Musiker sollte das gewachsene Selbstbewusstsein des deutschen Jazz nicht erschüttern können.

Die nächste Ausgabe wird mit erweitertem Programm vom 23. bis 31. Mai 2014 stattfinden.

Quelle: http://www.nmz.de/online/rheinische-erfolgsgeschichte-eindruecke-vom-jazzfest-bonn-2013