Multiphonics 2018

Die Klarinette in vielen Facetten

pdf[1] (erschienen im Jazz Podium 12/2018)

© Hans-Bernd Kittlaus 2018
Multiphonics Ensemble by © Hans-Bernd Kittlaus 2018

Die fünfte Ausgabe des Festivals Multiphonics, das der Klarinette gewidmet ist, erwies sich als die musikalisch bisher ausgewogenste und gelungenste. Das Festival bestand aus fünf Konzertabenden im Kölner Stadtgarten (über die hier berichtet wird) und weiteren Konzerten in Frankfurt, Düsseldorf und Dortmund sowie Workshops für Musiker. Die künstlerische Leiterin Annette Maye und Organisator Jens Eggensperger hatten dafür KlarinettistInnen aus aller Welt eingeladen, die die Klarinette in unterschiedlichen Genres und Stilen repräsentierten.

In Köln begann Multiphonics mit dem Berliner Schlagzeuger Eric Schaefer und seinem Programm Kyoto Mon Amour. Auf Basis seiner intensiven Beschäftigung mit Japan hat Schaefer Musik zusammengestellt, die traditionelle japanische Musik, Neue Musik und Jazz bis hin zu freier Improvisation integriert. Naoko Kikuchi spielte das Saiteninstrument Koto virtuos und doch ganz in der Tradition verwurzelt, Klarinettist Kazutoki Umezu demonstrierte seinen kräftigen schönen Klarinettenton von melodischen Passagen bis zu Free Jazz Schreien. Bassist John Eckhardt und Schaefer sorgten für eine abwechslungsreiche rhythmische Grundlage. Ein Auftakt nach Maß. Ebenfalls aus Berlin kam Altsaxofonistin und Bassklarinettistin Silke Eberhard und brachte ihre Bearbeitung von Eric Dolphy’s unvollendeter Love Suite mit. Ihre Band Potsa Lotsa Plus mit sechs Bläsern ohne Rhythmusgruppe arbeitete sich tapfer durch die eher sperrigen Arrangements, aber der Funke zum Publikum wollte nicht so recht überspringen. Als dann Elektroniker Antonis Anissegos anfing, sich nicht mehr auf gelegentliche Impulse zu beschränken, sondern den Sound der Bläser auf unangenehme Weise elektronisch fortgesetzt übertönte, kippte die Stimmung im Saal endgültig.

Der zweite Kölner Abend war Brasilien gewidmet. Die Protagonisten des italienischen Trios Correnteza haben alle enge Beziehungen zu Brasilien, ohne Brasilianer zu sein. Sängerin Christina Renzetti sang mit viel Gefühl für brasilianische Phrasierung überwiegend portugiesisch, Roberto Taufic erzeugte Wohlklang auf der akustischen Gitarre und Gabriele Mirabassi brachte italienisches Temperament in sein vorzügliches Klarinettenspiel ein. Auch die israelisch-amerikanische Klarinettistin Anat Cohen, Artist-in-Residence des Festivals, hat sich intensiv mit brasilianischer Musik beschäftigt. Gemeinsam mit dem Trio Brasileiro spielte sie sehr authentisch Choro, einen heute wieder populären brasilianischen Musikstil, der aus europäischen und afrikanischen Einflüssen vor fast 150 Jahren entstand und immer schon Improvisation enthielt. Cohen demonstrierte ihren überaus kultivierten Klarinettenklang. Zum Höhepunkt wurde ihr Solo über ihre Eigenkomposition „For Baden Powell“, in dem sie nur noch aus Musik zu bestehen schien.

Annette Mayes Trio Fisfüz verband eurasische Musiktradition aus Ländern wie Afghanistan, Georgien und Usbekistan mit Jazz-Elementen. Als Gäste kamen dazu Akkordeonist Jean-Louis Matinier und Arkady Shilkloper mit seinem perfekten Ton auf dem Waldhorn und spektakulärem Einsatz eines Alphorns. Trotz einiger technischer Sound-Probleme wurde das Publikum gut eingestimmt auf das Highlight des Festivals, das speziell zusammengestellte „Multiphonics Seven Play Wood4Winds“. Hierzu hatte die Kölner Komponistin Christina Fuchs exzellente Stücke kreiiert für das Klarinettenquartett Cohen – Maye – Mirabassi – Umezu, die begleitet wurden vom Trio mit Pianist Hans Lüdemann, Bassist Reza Askari und Schlagzeuger Christoph Hillmann. Das Trio zeigte sich in jazziger Hochform mit mitreissenden Soli von Lüdemann und Askari und inspirierte die Bläser zu stimmigem Ensemblespiel und eindrucksvollen Soli, vor allem von Mirabassi und Umezu.

Nach dem sehr weltmusikalischen Gitarre-Klarinette-Duett des persischen Duos Naqsh sang die Grande Dame des europäischen Jazz-Gesangs Norma Winstone das Descansado Programm ihrer neuen CD mit Vokalisierungen von Filmmusik. Nicht alle ausgewählten Stücke erwiesen sich als so geeignet fürs Singen wie Michel Legrand’s „His Eyes, Her Eyes“. Begleitet wurde Norma Winstone u.a. von Klaus Gesing, dem letztjährigen Artist-in-Residence des Festivals, der wenige Gelegenheiten zu Soli bekam. Multiphonics fand seinen Abschluss in einem gemeinsamen Konzert mit der Next Level Jazz Reihe des Kölner Saxofonisten Paul Heller, der mit einer All Star Big Band Anat Cohen in den Mittelpunkt stellte. Das Programm bestand aus Standards des Great American Songbook, für die Heller großartige Arrangements ausgewählt hatte. Cohen spielte ein ums andere Mal inspirierte Soli, in der Band ragte Pianist Hubert Nuss solistisch hervor. Das Konzert war ein weiteres Highlight dieses verdienstvollen Festivals, das die Vielseitigkeit und Attraktivität der Klarinette auf das Schönste demonstrierte.

Hans-Bernd Kittlaus

www.multiphonics-festival.com