Martin Wind
Artist-in-Residence im Alten Pfandhaus Köln
Es ist 9 Uhr morgens in Teaneck, New Jersey. Ist das eine gute Zeit für ein Telefoninterview mit einem Jazz-Musiker? Martin Wind ist jedenfalls hellwach: „Meine beiden Kinder müssen um 7.15 Uhr aus dem Haus. Da kann ich auch nicht länger schlafen.“ Nach über 10 Jahren in New York fühlt er sich zu Hause: „Teaneck ist eine Gemeinde, in der viele Musiker wohnen, zum Beispiel Rufus Reid oder früher Nat Adderley. Manhattan ist nicht weit, aber man kann hier ruhiger leben und die Kinder können im Garten spielen.“ Seit 10 Jahren unterrichtet Wind Musik an der New York University. Als Bassist spielt er oft mit dem Village Vanguard Jazz Orchestra und gleich in drei festen Trios, die von Pianisten geleitet werden. MW: „Bill Mays war ganz zentral für meine Entwicklung. Ihn habe ich 1992 beim North Sea Jazz Festival kennengelernt, als ich dort mit Silvia Droste auftrat. Er schickte mir dann regelmäßig seine Kompositionen und wir begannen miteinander im Trio zu spielen, seit 8 Jahren in fester Besetzung mit Matt Wilson am Schlagzeug. Don Friedman lernte ich an der New York University kennen, wo er schon seit 30 Jahren unterrichtet. Er verkörpert die Jazz-Tradition. So spielte er schon Ende der 50er Jahre mit Scott LaFaro. Mit Dena DeRose spiele ich jetzt auch schon einige Zeit. Sie hat es gern besonders groovy. Aber eigentlich haben die drei mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Sie sind sehr offen, aber in der Tradition verwurzelt, und lassen mir als Bassisten viel Raum.“
Sein Wechsel nach New York kam 1996 mittels eines DAAD Stipendiums zustande. Er begann an der New York University als post-graduate, aber schon nach einem halben Jahr engagierte man ihn als Lehrer. Zuvor hatte Wind 7 Jahre lang in Köln gelebt und klassischen Bass bei Wolfgang Güttler studiert. Schon vorher – er lebte noch in seiner Heimat Schleswig-Holstein – spielte er bereits im Bundes-Jugend-Jazz-Orchester. Diese Wurzeln bilden auch heute noch seine Bezugspunkte in Deutschland. Seit Jahren lädt ihn Festivalmacher Rainer Haarmann regelmäßig zum Jazz Baltica Festival nach Salzau ein. Und jetzt machte ihn der neue Kölner Club Altes Pfandhaus zu seinem ersten Artist-in-Residence. MW: „Es ist wirklich schön, dass ich wieder in Köln spielen kann und viele alte Freunde wieder sehe. Alexander Sandman und Dieter Tiedemann kann man nur wünschen, dass das Alte Pfandhaus Erfolg hat. Köln kann diese Spielstätte gut brauchen. Für mich als Musiker ist es ein tolles Erlebnis, so direkt inmitten des Publikum zu spielen, das in dieser U-Form um die Musiker sitzt.“ Architekt Tiedemann hat das ehemalige städtische Pfandhaus in der Kölner Südstadt so renoviert und umgebaut, dass ein stilvolles Ensemble aus Kunstgalerie, Bar und Konzertsaal entstanden ist, der bis zu 250 Besuchern Platz bietet. Der künstlerische Leiter Alexander Sandman stellte gleich im ersten Jahr des Bestehens ein abwechslungsreiches und anspruchsvolles Programm zusammen, das Kölner Musikern ebenso Auftrittsmöglichkeiten bot wie internationalen Stars von Dave Holland über George Gruntz bis Kenny Garrett. So soll es auch weiter gehen.
Als Artist-in-Residence wird Martin Wind 2007 insgesamt 4 Konzerte in unterschiedlichen Besetzungen in Köln bestreiten. MW: „Im ersten Konzert im April konnte ich mit Don Friedman und Dena DeRose gleich zwei meiner Piano-Partner präsentieren. Das nächste Konzert am 27. Juni ist etwas ganz Besonderes, weil Rainer Haarmann zugestimmt hat, dass erstmalig ein Jazz Baltica Projekt auch in einer anderen Stadt auftreten darf. Dabei werde ich mit Joe Locke am Vibraphon und den deutschen Kollegen Johannes Enders an den Saxophonen und Nils Wülker an der Trompete spielen. Im Oktober werde ich dann meine neue Gruppe mit Scott Robinson an Tenor und Bassklarinette, Bill Cunliffe am Klavier und Greg Hutchinson am Schlagzeug ins Alte Pfandhaus bringen, zu der als Gäste Steffen Schorn und Claudio Puntin dazu kommen sollen. Den Abschluss bildet am 30. November eine europäische All-Star Gruppe, für die schon Frank Chastenier, Peter Weniger und Adrian Mears zugesagt haben.“
So sehr Martin Wind die Konzerte in Deutschland schätzt – inzwischen ist New York seine Heimat. MW: „Ich habe eine amerikanische Frau, meine Kinder gehen hier zur Schule. Mir gefällt, dass die Jazz-Musiker in New York eine echte Community bilden, man hilft sich, wann immer man kann. Und es ist sehr befriedigend, wenn ich Anerkennung von anderen Musikern spüre, besonders wenn sie von Jugend an meine Idole waren.“
Hans-Bernd Kittlaus