Anke Steinbeck: Fantasieren nach Beethoven

Anke Steinbeck
Fantasieren nach Beethoven – Praxis und Geschichte kreativer Musik
Verlag Dohr, Köln

Die promovierte Musikwissenschaftlerin Anke Steinbeck fungiert als Herausgeberin einer auf drei Bände angelegten Buchreihe zum Thema „Improvisation im heutigen Musikbetrieb“. Den vorliegenden ersten Band hat die Bonnerin selbst verfasst, die sich viele Jahre mit klassischer Musik beschäftigt hat, bevor sie Projektleiterin und rechte Hand von Festivalmacher Peter Materna beim Jazzfest Bonn wurde. Bonn ist auch der Bezugspunkt des Buches mit dem Jazzfest und Beethoven und den Schumanns als Lokalmatadoren im klassischen Bereich. Steinbeck beschreibt, wie Improvisation in früheren Zeiten in der klassischen Musik absolut üblich war und Pianisten wie Beethoven und Mozart für ihre improvisatorischen Fähigkeiten gefeiert wurden. Das historisch fragwürdige Ideal der Werktreue, das die Aufführungspraxis klassischer Musik im 20. Jahrhundert stark beeinflusste und auf Interpretation beschränkte, scheint aktuell seine Dominanz zu verlieren, so dass die Bereitschaft im klassischen Bereich wächst, wieder mehr zu improvisieren. Im Jazz hatte Improvisation ohnehin schon immer einen hohen Stellenwert. Steinbeck ergänzt ihren Text mit Gesprächen mit acht Künstlern und Wissenschaftlern von Julia Hülsmann bis Thomas Quasthoff. Besonders tiefgreifende Einblicke vermitteln die Aussagen von Vibraphonist Christopher Dell und Komponist Enjott Schneider. Steinbeck gelingt es, dem Leser das Thema Improvisation in seinen vielen Facetten und seiner Widersprüchlichkeit nahe zu bringen. Ein spannendes Buch, ansprechend und mit vielen Fotos gestaltet, das auch Laien mit Gewinn lesen können und das Vorfreude auf die beiden folgenden Bände der Reihe weckt.

Hans-Bernd Kittlaus 25.05.17