Michael Naura: Naurabox – Fortissimo – Eine deutsche Jazzologie, Gateway4M (6 CDs)

Michael Naura

Naurabox – Fortissimo – Eine deutsche Jazzologie

Gateway4M (6 CDs)

Rechtzeitig zum 75-sten Geburtstag von Michael Naura ist eine aufwendig produzierte 6-CD-Box erschienen, die einen Querschnitt durch das vielfältige Schaffen des berühmt-berüchtigten Multitalents bietet und viele NDR-Aufnahmen enthält, die nie auf Tonträgern erhältlich waren. Der gebürtige Litauer Naura kam als Kind nach Deutschland und gehörte schon in den 50er Jahren zu den wichtigen deutschen Jazz-Musikern. Aus dieser Zeit stammen verblüffend frisch klingende Mainstream-Aufnahmen im Quintett mit Nauras langjährigem Partner, dem Vibraphonisten Wolfgang Schlüter. Eine gesundheitliche Krise in den 60er Jahren änderte seine Betätigungsschwerpunkte. Er wurde hauptberuflicher Leiter der Jazz-Redaktion des NDR, war Produzent und Jazz-Kritiker, schrieb literarische Texte, zeichnete, und machte weiter Musik. All dies ist in der Box dokumentiert. Seine literarischen Texte, die Naura mit seiner wohlklingenden dunklen Stimme vorträgt, zeichnen sich durch ausgeprägtes Gefühl für Sprache und Wortwitz, aber auch durch Deftigkeit aus. Seine Musikkritiken konnten heftig bis zur persönlichen Verletzung sein, ließen aber nie einen Zweifel an seiner Kompetenz und Liebe zur Musik. Musikalisch ist vor allem eine Live-Aufnahme des NDR Jazz Workshops aus dem Jahr 1960 bemerkenswert, bei der das Naura Quintett als Gäste u.a. Posaunist Albert Mangelsdorff undTenorsaxofonist Klaus Doldinger dabei hat und eine Mischung aus Standards und Eigenkompositionen spielt. Für Lyrikfreunde ist eine Live-Aufnahme aus dem Jahr 1977 ein Highlight, in der Peter Rühmkorf eigene Texte liest und von Naura, Schlüter und Leszek Zadlo an Saxofonen und Flöte begleitet wird. Das 64-seitige Begleitheft enthält eine gelungene Collage aus Fotos, Naura-Zeichnungen und Texten von Naura, Freunden und Wegbegleitern. Ein schöneres Geburtstagsgeschenk konnte man dem Renaissance-Mann, wie Manfred Eichel ihn nennt, kaum machen.

Hans-Bernd Kittlaus 25.07.09