Ken Peplowski – Interview auf der Jazz Cruise 2023

© Hans-Bernd Kittlaus 2023
Ken Peplowski Jazz Cruise Jan. 2023 by © Hans-Bernd Kittlaus 2023

Ken Peplowski (63), einer der führenden Klarinettisten und Tenorsaxophonisten der Jazz-Szene, musste in den letzten vier Jahren schwere Zeiten durchmachen. Erst eine Scheidung, dann die Unmöglichkeit, während der Pandemie zu reisen, zu spielen und Geld zu verdienen, und schließlich die Diagnose und Behandlung eines Multiplen Myeloms (Knochenmarkkrebs). JP Mitarbeiter Hans-Bernd Kittlaus konnte mit ihm auf der Jazz Cruise mitten in der Karibik im Januar 2023 sprechen.

HBK: Wie geht es dir, Ken? So wie du diese Woche hier gespielt hast, hörst du dich nicht an, als ob du krank wärst.

KP: Danke, das weiß ich zu schätzen. Ehrlich gesagt fühle ich mich jeden Tag stärker.

HBK: Das Konzert mit (Pianist) Shelly Berg letzte Nacht war wunderbar. Und es war sehr bewegend, als Du am Ende über deine Situation sprachst.

KP: Ich meinte das ernst. So viele Leute auf diesem Schiff haben mir in jeder Hinsicht finanziell ausgeholfen. In den USA haben wir nichts. Keine kostenlose Gesundheitsversorgung. Keine Arbeitslosenhilfe für Selbstständige. Während des Höhepunkts der Pandemie bekamen wir eine einmalige Sonderzahlung von 1.500 Dollar pro Monat, die nur sechs Monate lang galt. Und das war’s. Da ich nie einen Lehrauftrag angenommen habe wie so viele andere Musiker, wollte ich eine Rücklage haben, auf die man zurückgreifen kann. Und ich hatte Glück, ich hatte einiges. Nach 40 Jahren des Reisens ist man in Schwung, aber dann kommen drei Jahre, und man hat das Gefühl, man fängt wieder von vorne an.

HBK: Ja, das habe ich im Internet gelesen. Du hast Spenden von etwa 100.000 Dollar bekommen.

KP: Ja. Unglaublich.

HBK: Lass uns über Deine Pläne sprechen. Was willst Du als nächstes in Sachen Musik machen?

KP: Aufnahmen. In unmittelbarer Zukunft, nächsten Monat, mache ich eine Live-Aufnahme mit dem Schlagzeuger Willie Jones III, Martin Wind und Ted Rosenthal. Und wir nehmen im Smalls auf. Normalerweise ist mein Zuhause in New York das Birdland. Ich spiele zwei reguläre Wochen im Jahr und komme dann manchmal für andere Dinge hin. Aber der Typ bei Smalls sagte, komm zu uns, mach eine Live-Platte. Ich weiß, dass du eine harte Zeit hinter dir hast, und ich zahle dir eine gute Gage dafür.

Meine Erkrankung ist jetzt in voller Remission, und ich bin bereit zu arbeiten. Also, Veranstalter, kommt und engagiert mich! Denn ich will spielen, ich komme wieder zurück in die Szene. Im Herbst werde ich in Europa touren.

Während der Pandemie habe ich es gemacht wie alle anderen auch. Ich habe ein Jahr lang eine Streaming-Show gemacht. Der Aufhänger der Show war, dass ich während der ganzen Zeit keinen einzigen Song wiederholt habe. Nach einem Jahr dachte ich, das ist jetzt zu viel Arbeit. Und ich fing an, auch wieder ein paar Auftritte zu bekommen. Ich glaube, ich habe insgesamt 48 Wochen gemacht, mit höchstens fünf wiederholten Liedern. Du hast die Show gesehen. Ich habe recherchiert und 10 bis 15 Minuten lang über die Geschichte der Songs und Songwriter gesprochen. Es war also eine Menge Arbeit, aber es hat mir geholfen, denn es fühlte sich an, als ob ich kontinuierlich arbeiten würde.

Es gibt eine Dame auf diesem Schiff, die die Shows in dem Sinne gesponsert hat, dass sie die Honorare der Musiker, der Kameraleute und des Tontechnikers übernommen hat, weshalb die Videos gut aussehen und gut klingen. Wenn ich also wieder zu Hause bin, werden wir uns zusammensetzen und eine Art Best-of herausbringen und das für wenig Geld zum Kauf anbieten.

HBK: Ich bin mir sicher, dass du neben Houston Person derjenige auf dem Schiff bist, der die meisten Lieder kennt.

KP: Ich treibe mich immer gerne selbst an und genieße die Herausforderung für mich selbst. Und noch mehr, wenn ich mit dem Rücken zur Wand stehe. Ich habe ein riesiges Repertoire, genau wie Houston. Wir sind wie Brüder. Wir reden mindestens einmal die Woche miteinander, und er ist ein faszinierender Typ. Er liebt es, über Politik und Bücher zu reden. Auf der Bühne bekommt man davon nichts mit, weil er fast nichts sagt. Aber er ist ein wirklich interessanter Typ.

HBK: Du hast schon immer Klarinette und Tenorsaxophon gespielt. Was betrachtest Du als Dein erstes Instrument?

KP: Nun, das buchstäblich erste Instrument war die Klarinette. Es ist also so etwas wie die erste Liebe. Es ist ein anspruchsvolles Instrument, das nichts vergibt. Da muss man also dranbleiben. Aber ich könnte das Saxophon nie aufgeben, weil ich die zwei verschiedenen Stimmen mag. Und wenn ich Songs auswähle, höre ich ein bestimmtes Instrument in meinem Kopf. Und ich kann versuchen, um mich selbst wieder herauszufordern, etwas, das als Saxophon-Song bekannt ist, auf der Klarinette zu spielen und andersherum.

HBK: Wie siehst Du die Situation der Klarinette im Jazz? Ich meine, als Du vor etwa 40 Jahren anfingst, gab es nicht so viele Klarinettisten.

KP: Nein. Benny Goodman war noch da. Ich habe sogar in seiner letzten Band gearbeitet. Aber Du hast Recht. Es gibt jetzt wieder mehr davon. Und ich habe eine Theorie dazu, denn wenn man die Zeitachse des Jazz verfolgt, gab es eine Phase, in der die Musik sehr elektrisch und laut wurde. In Ermangelung eines besseren Wortes – ich hasse diese ganzen Begriffe – Fusion Jazz. Die Klarinette ist kein Instrument, das sich gegen eine Elektroband oder eine laute Band durchsetzen kann. Dazu ist sie einfach nicht in der Lage. Und ich bin kein lauter Spieler. Jetzt gibt es eher eine Rückbesinnung auf den akustischen Jazz. Und deshalb sehen wir auch wieder mehr Klarinettisten.

HBK: Wen würdest Du denn als die nächste Generation auf der Klarinette sehen?

KP: Nun, es gibt Leute wie Anat Cohen. Da ist dieser Adrian Cunningham, ein wirklich guter Spieler. Ich verspreche Dir, dass Du in den nächsten zehn Jahren viele neue Gesichter sehen wirst.

HBK: Lass uns ein wenig zurückgehen. Dein Name wird in den USA „Peplauski“ ausgesprochen. In Deutschland würde man ihn “Peplofski” aussprechen.

KP: Ja. In Amerika sollte es auch so ausgesprochen werden <lacht>. Aber ich glaube, es wurde die ganze Zeit so falsch ausgesprochen, dass die Familie es schon vor langer Zeit aufgegeben hat. Also heißt es Peplauski. Aber wenn du Peplofski sagst, liebe ich es.

HBK: Ich nehme an, der Name kommt aus Polen?

KP: Ja, das stimmt. Meine Großeltern väterlicherseits kamen aus Polen. Ich wünschte, ich hätte die Sprache gelernt. Die Generation meines Vaters war die Generation, die stolz darauf war, Englisch zu sprechen. Aber mein Bruder und ich hatten eine polnische Polka-Band, und unser Vater hat uns die Worte phonetisch beigebracht. Wir sangen also in perfektem Polnisch, aber dann fingen die Leute an, mit mir auf Polnisch zu reden, und ich hatte keine Ahnung, was sie sagten.

HBK: Wie kommt jemand, der in Polka-Bands spielt, zum Straight-Ahead Jazz?

KP: Nun, das ist eine gute Frage. Ob Du es glaubst oder nicht, diese spezielle Art von Polka, die polnische Polka, ist dem New Orleans Jazz unglaublich ähnlich, denn die Klarinette improvisiert hauptsächlich arpeggierte Sachen, wie der frühe New Orleans Jazz, wie es Jimmie Noone oder Johnny Dodds taten. Und es gibt zwei Trompeten, die zusammen spielen, wie in King Oliver’s Band. Jeder Song hat – genau wie die New Orleans Songs – drei oder vier Teile und manchmal einen Tonartwechsel, und dann improvisiert man über diesen Teil. Und es gibt manchmal sogar einen viertaktigen Drum-Break am Ende. Ich habe also gelernt zu improvisieren, weil ich meinen ersten Auftritt mit 11 Jahren hatte.

Dann habe ich einen Fernkurs der Berklee School of Music belegt, der ziemlich gut war. Sie schickten einem jede Woche eine Lektion in Harmonielehre und Musiktheorie. Und das habe ich gemacht. Ich war 11, 12, 13 Jahre alt, also in der Zeit vor dem Internet. Man schickte die Arbeiten zurück, und sie benoteten sie oder gaben Kommentare ab. Ich bin froh, dass ich auf diese Weise gelernt habe, denn auch heute noch sage ich meinen Schülern, dass sie sich nicht zu sehr an diesen Tausenden von Lehrbüchern aufhängen sollen. Sie sind zwar alle auf ihre eigene Art und Weise richtig, und doch sind sie alle in gewisser Weise auch falsch. Denn im Jazz gibt es keine wirklichen Regeln, die man befolgen muss. Sie denken, wenn jeder Schüler das gleiche Spielsystem lernt, werden sie auch ähnlich klingen. Sie denken: Okay, wenn ich diesen Akkord habe, muss ich diese Tonleiter spielen. Ich muss diese Tonfolgen spielen. Aber das ist einfach nicht wahr. Und ich sage zu ihnen: Warum gefällt euch das Spiel von jemandem? Weil sie ihren eigenen Stil und ihren individuellen Sound haben. Es ist also gut, all diesen Stoff zu lernen, aber denkt daran: Nehmt was ihr bekommen könnt, aber geht voran und findet euren eigenen Ansatz. Das wird in den Schulen nicht gelehrt, dass man einfach ausprobieren und nach seinem Instinkt spielen soll. Manchmal sage ich ihnen: Nimm dich selbst auf. Dann kannst du die Aufnahme hinterher analysieren und herausfinden, okay, warum hat das funktioniert? Warum hat das nicht funktioniert? Ich zitiere einen Satz, den Dizzy Gillespie einmal gesagt haben soll, als er zu Studenten sprach. Er sagte: Macht euch keine Sorgen. Bei jeder Phrase, die man spielt, ist man einen halben Schritt von der Erlösung entfernt <lacht>, denn manchmal geht es nur darum, wie man die Phrase am Ende auflöst. Das macht es zu einer richtigen Note im Gegensatz zu einer falschen Note, verstehst du? Und man kann so weit zurückgehen wie Lester Young, der manchmal atonal spielte. Er spielte eine falsche Note und wiederholte sie dann, nur damit man weiß, ja, das wollte ich machen <lacht>, und hier ist sie wieder.

HBK: Das ist es, was Gary Bartz zu sagen pflegt. Er improvisiert nicht. Er komponiert im Moment. Die einzige Situation, in der er improvisiert, ist, wenn er einen Fehler gemacht hat <lacht>.

KP: Das ist gut. Ich mag das. Das ist eigentlich eine gute Einstellung. Denn das Ziel ist es, den Song zu lernen und ihn dann zu vergessen. Wenn du immer noch über jeden Akkordwechsel nachdenkst, setzt eine automatische Zeitverzögerung im Gehirn ein, du hinkst einfach ein bisschen hinterher oder spielst ein bisschen zu vorsichtig. Du musst einen Song so gut lernen, dass du, wenn du auf der Bühne stehst, gar nicht mehr darüber nachdenkst. Du lässt einfach dein Unterbewusstsein die Kontrolle übernehmen.

HBK: Das war also die Brücke zum Jazz, als Du diese Berkeley-Sachen machtest?

KP: Nein, ich gehe noch ein bisschen weiter zurück. Die Brücke zur Musik war, dass meine Eltern meinen Bruder und mich mitnahmen, um „A hard day’s night“ im Kino zu sehen, 1964, ich war fünf. Und ich erinnere mich noch heute daran, wie die Leute im Publikum schrien, nur um sie auf der Bühne zu sehen. Und ich schaute hinauf und dachte: Das will ich auch mal machen. Nun, nicht als Beatle – obwohl ich immer noch ein großer Fan bin. Das brachte mich dazu, Musik zu machen. Duke Ellington’s Band hörte ich zum ersten Mal auf dieser Platte “The Great Paris Concert”. Es ist eine fantastische Platte. Jimmy Hamilton zuzuhören, hat mich einfach umgehauen, weil er wie ein klassischer Bläser spielte. Er hatte diesen schönen dunklen klassischen Klang. Und die Art, wie er spielte, war total korrekt. Er fuchtelte nicht mit den Fingern herum, sondern hielt die Klarinette fest umschlossen. Er hat mich also noch vor Benny Goodman sehr beeindruckt. Und ich habe ihn später kennengelernt. Er kam nach New York und spielte ein paar Mal, und ich habe fast geweint, als ich mit ihm sprach. Er war ein sehr netter, sehr freundlicher Mensch.

Heute kann ich frei darüber sprechen. Alle beklagen sich: Oh, ich hatte eine schwere Kindheit. Ich hatte eine. Mein Vater war ein bigotter Polizist in Cleveland. Viele tägliche Schläge von beiden Elternteilen und willkürliche Bestrafungen. Es war ziemlich hart. Schon im Alter von fünf, sechs Jahren habe ich mich in mich zurückgezogen und mir gedacht, dass mich eines Tages etwas hier herausbringen wird. Die Musik hat mir wirklich das Leben gerettet.

HBK: Ich denke, wir sprechen von den siebziger Jahren, oder? Als der Straight-Ahead Jazz wirklich in einer Situation war, in der die Gefahr bestand, dass er verschwinden würde. Warum hast Du Dir ausgerechnet das ausgesucht?

KP: Nun, weil ich mich selbst nie als großen Komponisten betrachtet habe. Ich war nie glücklich mit dem, was ich schrieb. Also dachte ich, dass mein Vehikel diese älteren klassischen Lieder sein würden, bis zu dem Punkt, an dem man sich denkt: Wenn man einen George-Gershwin-Song spielt, warum müssen es dann die offensichtlichen 10 Lieder sein, die jeder spielt? Er hat doch über tausend geschrieben. Und dasselbe gilt natürlich auch für Duke Ellington und Strayhorn, man könnte ein ganzes Leben damit verbringen, diese Songs zu spielen. Auf fast jedem Album, das ich gemacht habe, habe ich versucht, mindestens einen ihrer Songs zu spielen, weil sie mir so viel bedeutet haben. Diese beiden großartigen Ellington Bands, die Ben Webster-Jahre und später die mit Sam Woodyard und Jimmy Hamilton, diese beiden Bands haben mich einfach umgehauen. Ich bin ein Fan dieser Art von Musik. Es gibt da draußen so viel. Es ist eine Fundgrube an Musik, die noch nicht aufgenommen wurde.

Auch das haben Houston und ich gemeinsam. Wir haben beide riesige Sammlungen von alten Notenbüchern. Ich habe einen Lagerraum in Manhattan, in den ich gehe. Dann öffne ich eine Kiste und hole die Noten heraus. Ich finde also ständig neue Sachen, aber ich sage den Rhythmusgruppen, mit denen ich zusammenarbeite, nur weil es sich um einen Song aus dem Jahr 1930 handelt, möchte ich nicht, dass ihr einfach so spielt, wie ihr denkt, dass ein Swing-Stil klingen sollte. Ich arbeite mit euch, weil ich möchte, dass ihr so spielt, wie ihr spielt. Und ich mag es, diese Musik mit ein wenig mehr Freiheit und Offenheit zu spielen. Deshalb ärgert es mich manchmal, wenn die Leute mich immer als Swing-Spieler bezeichnen, weil ich Ornette Coleman genauso liebe wie Charlie Parker oder Benny.

HBK: Wir waren in Deinen Teenagerjahren. Was passierte dann?

KP: Nun, dann habe ich angefangen, Jazz zu spielen und ältere Jazzmusiker in Cleveland zu treffen und mich ihnen anzuschließen. Technisch gesehen wurde ich in Garfield Heights, Ohio, geboren. Das ist also südöstlich von Cleveland, aber nur 20 bis 30 Minuten Fahrt entfernt. Es gab nie viele Jazzclubs in Cleveland. Als Jazz-Musiker kommst du von dort, aber du bist nicht dort – das ist so ein Musiker-Witz. Ich stieg aus der Hochzeitsband aus und konzentrierte mich auf Jazz.

Ich habe nur zwei Jahre lang das College besucht. Es war kein tolles College, es war die Cleveland State University. Aber ich ging dorthin, weil ich bei einem wunderbaren Klarinettenlehrer studiert hatte, und ich wollte weiter bei ihm lernen. Dann spielte ich auf diesem Jazzfestival in Cleveland, und wir waren die Cleveland Band. Sie hatten Teddy Wilsons Trio dabei, und ich durfte bei ihm einsteigen. Ich stellte mich ihm vor, und er sagte: Komm und bring dein Horn mit. Das war irgendwie beängstigend. In seinem Alter hatte er Arthritis-Probleme, aber trotzdem war es einfach aufregend, mit ihm zu spielen. Und die Tommy Dorsey Band unter der Leitung des Posaunisten Buddy Morrow hörte mich dort spielen, nahm meine Telefonnummer mit und fragte mich, ob ich in die Band kommen wolle.

In der nächsten Woche riefen sie bei mir zu Hause an. Meine Mutter nahm den Anruf entgegen und erzählte mir nie davon. So grausam waren meine Eltern. Zum Glück blieben sie hartnäckig. Einen Monat später rief der Roadmanager an, ich nahm den Hörer ab und er sagte: Weißt du, Buddy möchte dich unbedingt in der Band haben. Du würdest Lead Alto spielen, und er möchte dir einen 15-minütigen Auftritt auf der Klarinette geben. Und ich habe sofort zugesagt. Ich sagte, ich werde da sein, wann kann ich einsteigen? Und innerhalb eines Monats war ich mit der Band auf Tournee. Sie gaben mir nicht nur Auftritte auf der Klarinette, sondern er ließ mich auch Stand-up-Comedy vor dem Publikum machen, was meist furchtbar schief ging <lacht>. Aber wie gesagt, wenn ich so eine Negativität spüre, dann arbeite ich noch härter. Ich denke, tut mir leid, aber ich werde einfach weiter diese Witze erzählen. Das ist mir egal. Und ich brachte die Band zum Lachen, was in gewisser Weise mehr zählte.

Buddy war so nett zu mir. Und ich blieb zwei Jahre lang in der Band. Damals waren wir noch 48 Wochen im Jahr unterwegs und machten jede Menge One-Nighters. Ich war 20. Damals war das die Alternative zum College, und normalerweise die bessere Alternative. Alle großen Bands waren noch da. Es war das Ziel der meisten jungen Spieler, eine dieser Bands zu finden. Denn es gibt nichts Besseres als diese Disziplin, jeden Abend zu spielen. Meist spielst du dieselben Charts, und bei einem Song bekommst du ein achttaktiges Solo, hier drüben spielst du die Bridge. Man muss also lernen, wie man sich das zunutze macht. Und außerdem wechselt das Personal der Band ständig. Also muss man die Saxophonsektion straffen. Ich habe also immer versucht, die Arrangements zu verbessern. Einfach aus Langeweile, sonst wäre es zäh geworden. Du überlegst also ständig, okay, was kann ich tun, um das besser zu machen? Was kann ich tun, um es straffer zu machen? Das brauchte eine große Disziplin.

Aber nach zwei Jahren wollte ich aufhören, denn es ist ein harter Job. Bei Buddy Morrow galt die Regel, dass man eine winzige Lohnerhöhung bekam, wenn man zu gehen drohte. Aber dieses Mal rief er mich in sein Hotelzimmer und sagte: Ich lasse dich gehen, wenn du versprichst, nach New York zu ziehen. Er sagte: Ich will nicht, dass du ein großer Fisch in einem kleinen Teich bist. Du musst dich immer wieder selbst herausfordern und immer mit Leuten spielen, die besser sind als du. Und so habe ich immer versucht, mich selbst herauszufordern. Seinetwegen bin ich nach New York gezogen, und er hat sogar in meinem Namen mit einigen seiner alten Studiofreunde von damals telefoniert. Er hatte alle Arten von Studioarbeit gemacht. Und er hat mir wirklich sehr geholfen. Ab und zu rief ich ihn an und versuchte, mich zu bedanken, und er wurde ganz unwirsch. Er konnte das nicht ertragen. Er meinte, ach, ich habe nichts getan. Aber er hat es getan. Ich zog nach New York. Ich glaube, das war 1981, und seitdem bin ich dort geblieben.

HBK: 42 Jahre. Eine lange Zeit, in der Du wirklich mit dem Who is Who des Straight-Ahead Jazz gespielt hast.

KP: Ich hatte Glück, denn die letzte Welle all dieser klassischen Spieler war noch da. Da waren Hank Jones, Major Holley, Gus Johnson, Buddy Tate, Sweets (Harry Edison) – ich lernte Sweets sehr gut kennen, als wir anfingen, an der Westküste zu touren. Und Bucky Pizzarelli wurde wie ein zweiter Vater für mich. Dick Hyman war ein echter Mentor und ein Meister für mich. Dick legte großen Wert darauf, sich für jüngere Musiker einzusetzen, von denen er glaubte, dass sie spielen könnten. Er zwang mich gewissermaßen dazu, ein paar Studiosessions mit ihm zu machen. Es ging nicht so sehr um Marketing wie heute. Jazz wird heute wie Popmusik gebucht. Das merkt man vor allem an den jüngeren Musikern, die sind da sehr clever. Sie haben alle Publizisten und verschicken ständig E-Mails an die Leute, ziemlich aggressiv. Ich war nie ein solcher Selbstvermarkter. Ich kann das einfach nicht. Ich denke, ich werde so gut spielen, wie ich kann. Und es muss doch ein paar Leute geben, die das mögen. Oh, ich habe die drei gefunden. <lacht> Und spiele weiter für sie.

HBK: Welche Kooperationen würdest Du als die Höhepunkte dieser Jahre bezeichnen?

KP: Die Zusammenarbeit mit Hank Jones war eine davon. Ich war Gast auf einer seiner Platten. Er war Gast auf einer meiner Platten. Ich habe ein paar Touren mit ihm in Japan gemacht. Und er war so ein Meister und auch lustig und sehr nett zu mir. Denn ich will ehrlich sein, bei meinen ersten Begegnungen mit all diesen Legenden hatte ich Todesangst, aber es ist wie eine Familie. Und sie werden dich anfangs auf lustige Art und Weise schikanieren, dich anspornen und testen. Aber wenn sie das Gefühl haben, dass du spielen kannst, dann gehörst du zur Familie, verstehst du? Mit Hank war es eine solche Freude, mit ihm zu spielen. Er setzt sich ans Klavier und spielt nur einen Akkord. Sein Anschlag und sein Klang waren so einzigartig.

Viele Höhepunkte erlebte ich in der Zusammenarbeit mit Sweets Edison, der mich faszinierte, weil er schon in den dreißiger Jahren mit Basie gespielt hatte und noch immer so modern klang wie kein anderer. Ich habe mit Rosemary Clooney, Joe Williams und Mel Tormé gearbeitet. Ich war lange Zeit mit ihm zusammen.

HBK: Ich liebe Mel Tormé. Für mich war er einer der besten Sänger aller Zeiten.

KP: Ja, unfassbar. Ich glaube, er mochte mein Spiel. Ich habe ihn einmal gefragt: Was soll ich hinter dir spielen? Er sagte, du machst dein Ding, was immer du willst, worauf du Lust hast. Ich habe wirklich nie einen schlechten Abend von ihm gehört. Und er hat sich nicht aufgewärmt, nicht eingesungen, nichts. Er hatte einfach diese natürliche Stimme. Und er war ein großartiger Musiker. Er konnte sich ans Klavier setzen und wirklich toll Klavier spielen. Und er war ein wirklich guter Schlagzeuger. Er hatte sogar ein altes Schlagzeug von Gene Krupa, mit dem er auf Reisen ging und auf dem er immer ein Feature machte. Egal was für ein Song es war, „Cottontail“ zum Beispiel – er fing an, das TomTom-Ding zu machen, und er wollte, dass ich ein Sing, Sing, Sing-Ding mit ihm mache.

HBK: Ich habe mit einigen der jüngeren Musiker hier an Bord gesprochen und sie sagten, diese Leute wie Ken oder Benny Green, sie sind unsere letzte Verbindung zu dieser Geschichte des Jazz.

KP: Ja. Und ich habe tatsächlich versucht, das Gleiche zu tun, was diese Leute für mich getan haben. Ich habe versucht, mit jüngeren Musikern zu arbeiten und ihnen zu helfen. Ich habe jedes überschüssige Instrument, das ich besaß, an Schüler verschenkt, die bessere Instrumente brauchten. Ich habe mich selbst nie als einen echten Multiinstrumentalisten betrachtet. Ich spielte Klarinette und Tenor. Ich hatte Bassklarinette, Bariton, Flöten, Sopran, Alt, die sind jetzt alle in guten Händen.

HBK: Ein Freund von mir, der auf dem Schiff ist, wollte, dass ich Dich grüße. Er kann genauso sarkastisch sein wie du. Er macht sich immer über mich lustig, weil ich durch die Lockdowns zugenommen habe. Deshalb sagte er, gut dass du mit Ken sprichst. Er weiß, wie man ein paar Pfunde verliert.

KP: Das stimmt. <lacht> Man nennt es die Krebsdiät. Ich empfehle sie jedem. Sie funktioniert wirklich gut. Ich habe 80 Pfund verloren. Aber ich habe schon wieder 15 Pfund zugenommen und ich bin mir sicher, dass es diese Woche weitere fünf sind <lacht>.