Jazz und Autos in Köln
Die sechste Ausgabe des Audi Jazz Festivals in den Kölner Balloni-Hallen brachte einen erfreulichen Zuschauerzuspruch mit einem Programm, das in drei Tagen fünf bekannte Bands und eine Nachwuchsgruppe präsentierte, allesamt multipel preisgekrönt. Den Auftakt gestaltete das Trio des jungen Pianisten Louis Stapleton, der gebürtiger Australier ist und in Köln studiert. Mit Bassist Oliver Lutz und Schlagzeuger Fabian Arends spielte er überwiegend Eigenkompositionen, unspektakuläre intelligente Musik mit deutlichen Pop-Einflüssen. Max Mutzke zeigte sich in seinem 2-Stunden-Konzert als großer Entertainer mit eindringlicher Stimme, der vom vielseitigen monoPunk Trio begleitet wurde. Mutzke ist ein starker Soul-Sänger und coverte vorzüglich Songs von Marvin Gaye, Stevie Wonder, Janis Joplin, James Brown und anderen. Auch mit seinen deutsch gesungenen Songs konnte er punkten. Warum das Konzert wie auch seine letzte CD („Durch Einander“, Sony) allerdings als Jazz vermarktet wurden, erschloss sich nicht.
Die Brüder Wasserfuhr hatten in Köln fast ein Heimspiel, kommen sie doch aus Hückeswagen im Bergischen Land und hatten ihren Fan Club mitgebracht. Wie auf ihrer neuen CD („Running“, ACT) zeigten sie auch im Konzert eine starke Pop-Orientierung sowohl in der Komposition bzw. Auswahl der Stücke wie auch in den Arrangements. Das Programmheft sprach treffend von „schlichten Melodien“, die teilweise durch Hinzufügen eines Streichquartetts noch softiger wurden, als sie ohnehin schon waren. Nur gelegentlich blitzten die Qualitäten von Trompeter Julian Wasserfuhr auf. Temperament brachte anschließend die französisch-amerikanische Sängerin China Moses in die angenehme Nachtklub-Atmosphäre der Balloni-Hallen. Die Tochter von Dee Dee Bridgewater zelebrierte den Blues in bester Black Music Tradition begleitet von ihrer exzellenten französischen Band mit Pianist Raphael Lemonnier. Das Programm stammte überwiegend von ihrer letzten CD („Crazy Blues“, Decca) und ging zurück bis in die 1920er Jahre mit Mamie Smith’s „Crazy Blues“, aber auch Donna Summer’s Disco Hit „Hot Stuff“ swingte heftig. Das begeisterte Publikum erklatschte sich mehrere Zugaben.
Der schwedische Pianist Martin Tingvall, wohnhaft in Hamburg, hatte in den letzten Jahren großen Erfolg mit seinem Tingvall Trio. In Köln spielte er Eigenkompositionen solo auf Basis seiner CD „En ny dag“ (Skip). Er kreiierte vielfältige Stimmungen in seinen impressionistischen Skizzen mit Anlehnungen an klassische Kompositionen von Grieg bis Chopin. Der Höhepunkt kam mit der Zugabe, die er im Duo mit Trompeter Nils Wülker über seine Komposition „Vägen“ improvisierte. Leider konnte Wülker anschließend im Konzert mit seinem Quartett nicht daran anknüpfen. Seine Kompositionen und ihre Interpretationen brachten wenig Abwechslung, alles wirkte sehr ähnlich, pop-orientiert und weichgespült.
Die Getränkekarte in den Kölner Balloni-Hallen listete einen Mosel-Riesling als Sommerwein mit besonders wenig Säure. So schmeckte er auch. Ein Riesling für Leute, die keinen Riesling mögen. Die Parallele zum Programm dieses Audi Jazz Festivals war augenfällig. Die Konzerte bewegten sich überwiegend im Bereich des Gefälligen und Risikolosen, kompetent dargeboten, aber ohne Abenteuer, Überraschung oder gar Innovation. Ein Audi-Repräsentant kündigte bereits eine Fortsetzung des Festivals im nächsten Jahr an. Vielleicht sollte den Programmmachern dann nicht der Wein, sondern das Audi-Markenimage und die rasant-eleganten Audi Sportwagen als Inspirationsquelle dienen (der Autor fährt bereits seinen dritten).
Hans-Bernd Kittlaus 15.09.13