JazzFest Bonn 2021

Lohn der Mühen

© Lutz Voigtlaender 2021
Richie Beirach + Sirius Quartet by © Lutz Voigtlaender 2021

Die Corona-Zeit war nicht nur für die Musiker hart, sondern auch für Club-Betreiber und Festival-Organisatoren. Peter Materna und sein JazzFest Bonn-Team traf es besonders schwer. Sie hatten ihr Festival ursprünglich für drei dicht gefüllte Wochen, überwiegend mit Doppelkonzerten, im Frühjahr 2020 geplant und schon weitgehend ausverkauft. Damals mussten sie komplett auf Herbst 2020 verschieben, dann auf Frühjahr 2021 und dann auf das zweite Halbjahr 2021. Da die meisten Ticket-Käufer ihre Tickets behalten hatten, versuchte Materna jedes Mal, das komplette Programm inklusive der Besetzungen der Doppelkonzerte zu verschieben. Das konnte natürlich nicht vollständig gelingen. Immerhin fanden und finden insgesamt 10 Konzertabende im Zeitraum von August bis November 2021 statt mit MusikerInnen von Kinga Głyk über Till Brönner und Klaus Doldinger bis zu Jan Garbarek. Von zweien davon soll hier berichtet werden.

Im schönen Konzertsaal des Beethovenhauses trat Meisterpianist Richie Beirach mit dem eigens für den Tag aus New York eingeflogenen Sirius Streichquartett auf, in dem Beirachs langjähriger musikalischer Partner, der Geiger Gregor Hübner mitwirkt. Aus Corona-Gründen sollte der Saal nur partiell gefüllt werden, so dass die Musiker zwei Konzerte nacheinander gaben, jeweils non-stop über zwei volle Stunden ohne sicht- oder hörbare Ermüdungserscheinungen – Chapeau! Die Musik brachte besonderen Hörgenuss, zusätzlich unterstützt durch die exzellente Akustik des Saales. Das Sirius Quartet demonstrierte eindringlich, warum es international renommiert ist für seine Kombination aus „klassischer“ Präzision mit Improvisation über einen Mix aus Klassik, neuer Musik, Rock, Pop und Jazz ohne Berührungsängste. Beirach brillierte am wohlklingenden Steinway-Flügel und harmonierte vorzüglich mit den Streichern, sei es bei klassischem Material von Bach, Mompou und Bartok sowie einer Bearbeitung von Beethoven-Stücken – nachträglich zu Ludwigs 250-stem Geburtstag – oder jazzigeren Stücken, insbesondere dem Duo mit Gregor Hübner über Coltrane’s „Transition“. Highlights waren die Komposition „Paths become lines“ des Cellisten Jeremy Harman sowie die solistischen Ausflüge der Geiger Hübner und Fung Chern Hwei.

© Hans-Bernd Kittlaus 2021
Degen-Westergaard-Lillinger-Dell by © Hans-Bernd Kittlaus 2021

Im Bonner Pantheon fand ein Doppelkonzert statt. Peter Materna war erleichtert, dass die Zuhörer tatsächlich wieder kamen und – dank gelockerter Corona-Bedingungen – den Saal ausfüllten. Im ersten Teil hatte das langjährige Trio von Vibraphonist Christopher Dell, Bassist Jonas Westergaard und Schlagzeuger Christian Lillinger den Pianisten Bob Degen zu Gast. Sie erlaubten einen ersten Einblick in die Musik ihrer gemeinsam aufgenommenen Doppel-LP, die auf MPS erscheinen und vom Modern Jazz Quartet (MJQ) inspiriert sein soll. So bewegte sich das musikalische Geschehen deutlich näher am Straight Ahead Jazz, als man das von Dell/Lillinger/Westergaard zuvor gewohnt war. Dabei kopierten sie das MJQ keineswegs, sie spielten noch nicht einmal Stücke aus dem Repertoire dieser Band. Trotzdem gelang es ihnen, Stil und Feeling des MJQ einzufangen. Ein vergnügliches Konzert! Anschließend trat Pianist Jacky Terrasson im Trio mit französischen Musikern auf. Sie spielten überwiegend Eigenkompositionen Terrassons, in die er immer wieder Zitate aus Standards einfließen ließ. Leider konnte die Musik nicht an Terrassons beste Zeiten anknüpfen, was vor allem daran lag, dass das Trio offenbar nicht eingespielt war und die beiden anderen Musiker den publikumswirksamen Einlagen des Pianisten nicht folgen konnten. Schade!

Man kann Peter Materna und sein Team beglückwünschen, dass sie trotz aller Corona-bedingten Frustrationen durchgehalten haben. Sie wurden mit einem gelungenen Festivalstart belohnt, der ihnen offenbar Optimismus gibt. Im Frühjahr 2022 soll es bereits wieder eine reguläre Ausgabe des JazzFest Bonn geben.

Hans-Bernd Kittlaus

www.jazzfest-bonn.de