enja – The Exciting Jazz of the Early 70’ies

The Exciting Jazz of the Early Seventies
Live at the Domicile
Enja ENJ-9654-2 (4 CDs)

Titel und Paketierung dieser 4-CD-Box lassen den erfahrenen Jazz Fan eher an einen Sampler mit Wiederveröffentlichungen denken und werden den darin enthaltenen Kleinoden nicht gerecht. Tatsächlich handelt es sich um vier bisher nicht auf CD veröffentlichte Aufnahmen des bayrischen Rundfunks, die weder allesamt Anfang der 70er Jahre entstanden noch alle aus dem Münchener Jazz Club Domicile stammen. CD1 enthält ein sehr lebendiges Domicile-Konzert aus dem Jahre 1968 mit dem in Vergessenheit geratenen amerikanischen Altsaxofonisten Pony Poindexter und einem exzellenten Trio mit den beiden Tschechen Pianist Jan Hammer (später erfolgreicher Hollywood Komponist) und George Mraz (später einer der wichtigsten Bassisten in New York). Als Gast ist Meistertrompeter Benny Bailey dabei. Gemeinsam spielen sie ein Straight Ahead Bebop Programm mit unterhaltsamen Ansagen und Gesangseinlagen Poindexters. CD2 entstand 1975 im Domicile mit den West Coast Musikern Frank Rosolino an der Posaune und Conte Candoli an der Trompete, begleitet von einem Klaviertrio mit dem Holländer Rob Pronk am Klavier und dem Schweizer Isla Eckinger am Bass. Die sechs langen Stücke sind überwiegend Standards und werden sehr geschmackvoll und elegant dargeboten, wobei vor allem der wunderbare Posaunenton Rosolinos begeistert. CD3 wurde 1972 im Domicile mit dem Fritz Pauer Quartet mit Ex-Ellington-Bassist Jimmy Woode aufgenommen. Pauer ist deutlich von Ramsey Lewis beeinflusst und liefert unterhaltsamen Soul Jazz mit Gesangseinlagen Woode’s. Wenn Pauer Synthesizer spielt, ist die Entstehungszeit der Aufnahme nicht schwer zu erraten. CD4 lässt das Quartett des amerikanischen Trompeters Art Farmer in einer Aufnahme aus Rosenheim 1978 hören. Das Programm besteht überwiegend aus Standards und zeigt Farmer als einen der großen Stilisten an der Trompete. Er wird bestens unterstützt von Pianist Gerd Francesconi, Bassist Günter Lenz und Schlagzeuger Billy Brooks. Die vier Konzerte, tontechnisch gut aufbereitet, erinnern an eine Zeit, als München eine Hochburg des Jazz in Deutschland war. Leider ist zu befürchten, dass die Box wegen der unglücklichen Paketierung nicht die angemessene Aufmerksamkeit bekommen wird.

Hans-Bernd Kittlaus 25.05.17