Steve Kuhn with Strings: Promises Kept, ECM 1815

Steve Kuhn with Strings

Promises Kept

ECM 1815

Es gehört zu den erstaunlichem Phänomenen der Jazz-Welt, dass viele Musiker davon träumen, wenigstens einmal in ihrer Karriere mit großem Streichorchester spielen und aufnehmen zu können. Drückt sich darin ein Minderwertigkeitsgefühl gegenüber den Kollegen der Klassik aus? Oder übt die erweiterte Palette der Klangfarben so eine Faszination aus? Die Erfahrungen seit über 50 Jahren, als Charlie Parker seine legendäre Aufnahme „With Strings“ machte, zeigen jedenfalls, dass das Risiko groß ist. Die Streicher bewirken nahezu immer eine Betonung von Melodik und Harmonik bei Vernachlässigung der Rhythmik. In seltenen Fällen verbinden sich überzeugende Kompositionen, intelligente Arrangements und ein ausdrucksstarker Jazz-Musiker zu Glücksmomenten, etwa bei „Focus“ von Stan Getz und Eddie Sauter oder bei „Gershwin Live“ von Sarah Vaughan und Michael Tilson Thomas. Häufig jedoch ist das Ergebnis nur ein süßlicher Brei, Kitsch eben.

Pianist und Komponist Steve Kuhn hat in den letzten Jahren sehr viele hervorragende Aufnahmen vorlegen können, überwiegend in Trio-Besetzung, für ECM, Reservoir und das japanische Venus Label. Er kam schon um 1960 herum mit Gunther Schullers Third Stream Bewegung in Kontakt, die einen Weg zur Verbindung von Jazz und Klassik suchte. Seine Fähigkeit zur melodischen Improvisation und sein Anschlag weisen ihn als klassisch geschult aus. Die vorliegende Aufnahme aus dem Jahr 2000 mit seinem langjährigen Bassisten David Finck und einem Streich-Ensemble unter Carlos Franzetti erlauben Kuhn, auf Basis von alten und neuen Eigenkompositionen seine romantische Ader auszuleben. Kuhns Kompositionen, allen voran die älteren „Lullaby“ oder „Oceans in the Sky“, bieten genügend Substanz für Franzetti, dessen Arrangements die CD vor dem Kitsch-Vorwurf bewahren. Kuhn als Solist hingegen setzt nur selten rhythmische Akzente, sondern bringt sich emotional ein in den Ensemble-Klang. Das führt zu einigen sehr schönen Momenten, aber es fehlen die Ecken und Kanten, die die CD in die Kategorie obiger Meisterwerke heben könnten.

Hans-Bernd Kittlaus 02.05.04