Klaviertrios festlich
Das Klavierfestival Ruhr bietet vorangig klassische Musik, hat aber in den über 20 Jahren seines Bestehens auch immer wieder bemerkenswerte Jazz Events im Programm gehabt. Der Jahrgang 2010 brachte zwischen Mai und Juli insgesamt 67 Konzerte an verschiedenen Spielstätten und mit 61.000 Besuchern einen neuen Besucherrekord. Darunter waren nur vier Jazz-Konzerte. Umso bemerkenswerter, dass Intendant Franz Xaver Ohnesorg Jazz als Abschlusskonzert wählte. Im festlichen Rahmen des Ruhrfestspielhauses Recklinghausen, dessen ohnehin hervorragende Akustik durch die brillianten Tontechniker aufs Schönste genutzt wurde, wurde er belohnt mit einem ausverkauften Haus, in dem ein Who Is Who der Wirtschaftskapitäne des Ruhrgebiets saß, die das Festival finanzieren. Till Brönner präsentierte drei Spitzenpianisten jeweils im Trio mit dem harmonisch improvisierenden Bassisten Dieter Ilg und dem solide swingenden Schlagzeuger Martijn Vink. Der New Yorker Larry Goldings legte gleich zu Beginn mit zwei blues-getränkten Eigenkompositionen die Latte recht hoch. Der eher als Hammond-Spieler bekannte Goldings erwies sich als exzellenter kompletter Pianist und Komponist. Frank Chastenier, bekannt durch seine Zusammenarbeit mit Till Brönner und der WDR Big Band, wirkte danach zunächst in seiner stark verfremdenden Interpretation von ‚On the sunny side of the street’ gehemmt und in der Ballade ‚But beautiful’ uninspiriert, bevor er sich in seinem Solo ‚Phantasie über FXO’ (Homage an Ohnesorg) freispielte. Mulgrew Miller bewies seine Klasse in seinen Trio-Standards, als er Vinks unpassend eindimensionale Schlagzeug-begleitung durch seine perlend improvisierten Läufe vergessen ließ. Sein Solo über ‚It never entered my mind’ demonstrierte große Teile der Historie des Jazz-Klaviers in einer Form, die jederzeit musikalisch Sinn machte. Till Brönner moderierte nicht nur professionell sympathisch, sondern stieg auch am Ende jedes Triosegments als Trompeter ein. Während er mit Goldings und Chastenier jeweils seinen charakteristischen softigen Sound bot, reizte Miller ihn zu einem ausdrucksstarken Solo über ‚You don’t know what love is’ im Stile seines Vorbilds Woody Shaw, mit dem Miller noch gespielt hatte. Am Ende des 3,5-Stunden-Konzerts duellierten sich jeweils zwei Pianisten. Die Paarung Miller/Goldings brachte mitreißenden Swing, Goldings/Chastenier improvisierten impressionistisch und inspiriert, und Chastenier/Miller swingten durch ‚The days of wine and roses’ mit einem jetzt entfesselt aufspielenden Chastenier. Den Abschluss bildete ein furioses Bebop-Stück, bei dem Goldings die undankbare Melodica erfolgreich als Blues-Instrument einsetzte. Die stehenden Ovationen in Verbindung mit der Entscheidung, die langfristige Finanzierung des Festivals durch eine Stiftung zu sichern, sollten Ohnesorg und sein Team bewegen, dem Jazz noch mehr Raum bei den Festivals der nächsten Jahre einzuräumen.
Hans-Bernd Kittlaus