Das Multitalent
(erschienen im Jazz Podium 03/2018)
Der linke Fuß ist weiter vorn, der rechte etwas zurück. Athletisch, wie ein Ringer vor dem Angriff. Wenn die Musik ihn packt, wiegt er in dieser Stellung vor und zurück, während er seine Posaune bläst. Loft, Köln, im Januar 2018. Janning Trumann spielt mit Trillmann: “Die Band entstand in New York vor drei Jahren. Damals studierten Tenorsaxophonist Fabian Willmann aus Basel, Schlagzeugerin Eva Klesse aus Leipzig und ich als Stipendiaten in New York. In Deutschland ist der Kölner Bassist Florian Herzog dazugekommen“ (an diesem Abend ersetzt durch Stefan Schönegg). Die Verbindung hat gehalten. Gemeinsam spielen sie überwiegend auf die Band zugeschnittene Eigenkompositionen. Dynamisch, getrieben von Klesses hartem Punch. Sie kann Druck erzeugen, der die beiden Bläser zu solistischen Höhenflügen treibt. Erstmalig ist heute Pianist Sebastian Sternal als Gast dabei: “Ich habe mich über Jannings Einladung gefreut. Die Trillmann Kompositionen sind eine reizvolle Basis für mich, auch wenn oder gerade weil sie nicht für Klavier geschrieben wurden.“
Loft, Köln, im Dezember 2017. Janning Trumann sagt Anna Webber an, die New Yorker Saxofonistin und Komponistin. Selber spielt er nicht. Er hat eine viertägige Residency für Webber organisiert, jeden Abend in einer anderen Kölner Location mit einer anderen Band mit überwiegend Kölner Musikern. Die heutige Zusammensetzung erweist sich als Geniestreich. Meisterpianist Simon Nabatov, Bassist David Helm und Schlagzeuger Fabian Arends haben sich die komplexen Kompositionen Webbers in kurzer Zeit zu eigen gemacht. Es passt, Nabatov brilliert solistisch in schönem Kontrast zum eher spröden Tenorsaxofon Webbers.
Das Loft ist zu einem wichtigen Ort für Trumann geworden, seit er 2010 nach Köln kam. Loft-Betreiber Hans-Martin Müller, selbst klassischer Musiker, hat ihm immer wieder Auftrittsmöglichkeiten für seine verschiedenen Bands gegeben und fördert ihn auch als Organisator: “Janning ist ein hervorragender Posaunist, der verdientermaßen ausgezeichnet wurde mit Preisen wie dem amerikanischen J.J. Johnson Award und dem NRW Förderpreis. Was ihn darüber hinaus auszeichnet, ist sein Wille und seine Fähigkeit, sich auch organisatorisch und musikpolitisch zu engagieren. Ich kenne keinen anderen Musiker seiner Generation, der diese natürliche Führungsfähigkeit hat und andere mitreißen kann, etwas zu tun. So hatte er als Mitglied unseres Teams „jungesloft“ maßgeblichen Anteil daran, dass sie den Spielstättenpreis APPLAUS 2017 gewonnen haben. Dazu versteht er es, Förderanträge zu schreiben, und er engagiert sich im Initiativkreis freie Musik als Sprecher der Kölner Jazz Konferenz, die die Interessen der Jazzszene vertritt. Es gibt Menschen, die bewegen etwas, die haben Gestaltungswillen und Durchhaltevermögen, die sind nicht zu verhindern, und so einer ist Janning. Natürlich macht man sich mit einem solchen Gestaltungswillen nicht immer nur Freunde.“ Trumann bezieht sich auf seine Wurzeln: “Ich habe auf dem Bauernhof meines Vaters gelernt, dass man immer proaktiv anpacken muss und selten Feierabend hat. Das ist für mich ganz normal. Ich möchte die Situation für die Jazz-Szene verbessern. Deshalb engagiere ich mich. Und natürlich möchte ich auch selbst von erreichten Verbesserungen profitieren.“
Janning Trumann wurde 1990 geboren und wuchs auf einem größeren Bauernhof bei Bad Bevensen in Niedersachsen auf, Vater Landwirt, Mutter Musiklehrerin, 3 Söhne. Die Mutter sorgte dafür, dass die drei Kinder frühzeitig Musik machten. Janning begann mit der Geige, ab 10 spielte er Posaune, schon mit 14 im Landesjugendjazzorchester Niedersachsen. “Aber ich war noch zu schlecht. Die haben mich schnell wieder nach Hause geschickt. Mit 16 wurde ich dann festes Mitglied. Zu der Zeit kam ich auch in Kontakt mit Nils Landgren, der bereit war, mir Unterricht zu geben. Ich bin dann lange Zeit regelmäßig mit dem Zug nach Hamburg gefahren und habe ein Vorstudium an der Musikhochschule Hamburg parallel zum Gymnasium gemacht.“ Die gemeinsame Band mit Saxofonistin Anna-Lena Schnabel und Schlagzeuger Fabian Arends gewinnt bei Jugend Jazzt. 2009 erlebt er noch Peter Herbolzheimer als Bandleader, von 2010 bis 2012 ist er Mitglied des BuJazzO.
Fabian Arends erinnert sich: “Ich kenne Janning schon seit 2007 aus dem Landesjugendjazzorchester Niedersachsen. 2010 sind wir gemeinsam nach Köln an die Musikhochschule gegangen und haben fast 5 Jahre in einer WG zusammen gewohnt. Er hat zwei besondere Talente: das Posaunenspiel und Organisation. Er konnte schon immer tolle Visionen entwickeln für Projekte und Darbietungsformen für Jazz. Und er arbeitet unglaublich beharrlich und viel. Janning hat frühzeitig realisiert, dass man als Posaunist im heutigen Jazz-Betrieb nicht so viele Möglichkeiten für Sideman Gigs hat wie etwa ein Schlagzeuger. Deshalb liegt sein Fokus auf Big Bands und natürlich seinen eigenen Bands. Das liegt ihm auch, er fühlt sich wohl in der ersten Reihe.“
ABS, Köln, im November 2017. Eine Kölsche Kneipe, in der jeden Sonntagabend Jazz geboten wird. Heute fängt es etwas später an. Erst muss der 1. FC Köln noch auf dem Großbildschirm verlieren. Nach kurzer Umbaupause startet das Janning Trumann Quartett, besetzt mit einigen der besten jüngeren Kölner Musiker. Am Klavier, heute Keyboard, Lucas Leidinger, am Bass Matthias Nowak (statt Florian Herzog), und am Schlagzeug Thomas Sauerborn, der Trumann schon seit 2009 kennt: “Wir haben uns im Rahmen von Jugend Jazzt kennengelernt und dann im BuJazzO zusammengespielt. 2010 begannen wir in Köln das Studium und waren von Anfang an eine Clique. Bei aller Arbeit bleibt Janning immer entspannt, man kann gut mit ihm abhängen. Wir spielen in seinem Sextett MAKKRO zusammen, im Subway Jazz Orchestra und seit zwei Jahren in seinem Quartett.“ Das Quartett spielt nahezu ausschließlich Trumanns Kompositionen. Thomas Sauerborn: “Janning schreibt spannende Musik, die eine sehr elegante Verbindung aus Komposition und Improvisation bietet, aus dem Virtuosen und dem Spontanen und Interaktivem.“ Heute Abend intoniert die Band unter Anderem zwei Kompositionen, die Trumann in New York geschrieben hat. Sie klingen anders, härter, bluesiger, amerikanischer. Trumann wiegt sich wieder vor und zurück, die Musik swingt. Wurde Trumann schon frühzeitig gerühmt für seinen schlanken präzisen Posaunen-Sound, so klingt er hier fetter bis hin zu Growl-Tönen.
Dazu Janning Trumann: “Ich hatte in New York Unterricht bei einem klassischen Posaunisten. Der hat mich ziemlich auseinander genommen und mir die Limitierungen meines bisherigen Ansatzes an der Posaune aufgezeigt. Deshalb arbeite ich seit eineinhalb Jahren daran, meinen Ansatz umzustellen. Dadurch verändert sich mein Sound. Ich bekommen mehr klangliche Gestaltungsmöglichkeiten.“ Die eineinhalb Jahre in New York, verteilt auf die Jahre 2015 bis 2017, haben Trumann viel gebracht: “Ich bin von Anfang an dorthin gegangen mit dem Ziel, so viel Erfahrungen wie möglich zu sammeln, aber nach meinem Master-Abschluss an der New York University wieder nach Köln zurückzugehen. Zum Glück konnte ich mich dort ganz auf Studium und Konzertbesuche konzentrieren, da ich Förderungen vom DAAD, der Landesstiftung NRW und auch von der Konrad-Adenauer- Stiftung bekam, die mich schon seit 2010 unterstützt.“
Subway, Köln, im November 2017. Der kleine Klub ist eine historische Stätte für den Jazz in Köln, hat doch der WDR hier über Jahrzehnte bis 2001 die internationale Jazz-Elite wie auch viele deutsche Musiker auftreten lassen und für Radio und Fernsehen aufgenommen. Heute tritt das Subway Jazz Orchestra einmal monatlich auf, eine Big Band mit einigen der besten jüngeren Kölner Musiker. Saxofonist und Komponist Jens Böckamp war von Anfang an dabei: “Nachdem das Kölner KLAENG Kollektiv das Subway mit ihrem KLAENG Festival wieder für den Jazz wachgeküsst hatte, starteten wir 2013 das Subway Jazz Orchestra. Die Initiative ging aus von vier, fünf Leuten, darunter Janning. Er spielt Lead Posaune. Und er hat immer viel Energie reingebracht, Dinge vorangetrieben und uns Förderungen besorgt. Kein Ahnung, wie er das alles immer schafft. Aber sein Engagement ist gut für die Band und die Kölner Szene insgesamt.“ Heute Abend sagt Trumann nicht nur souverän die Band an, sondern auch die beiden Gäste Nils Wogram und Hayden Chisholm. Der Posaunenprofessor der Kölner Musikhochschule Henning Berg, dem Wogram und Trumann einiges zu verdanken haben, sitzt im dicht gedrängten Publikum. Es wird ein großer Abend mit exzellenten Arrangements mehrerer Band-Mitglieder und solistischen Highlights nicht nur von Wogram und Chisholm. Trumann hat in der Anfangszeit Arrangements für die Big Band beigesteuert, macht das heute aber kaum noch: “Eines der schwierigsten Dinge als Musiker ist es herauszufinden, was man gut kann und was man weniger gut kann. Ich glaube, dass meine Stärke als Komponist und Arrangeur eher bei kleineren Gruppen liegt. Deshalb schreibe ich heute kaum noch für Big Band.“
Trumann hat klare Vorstellungen, was er musikalisch will: “In der Kölner Jazz-Szene sind immer alle sehr nett zueinander. Dabei besteht die Gefahr, dass persönliche Beziehungen Vorrang bekommen vor musikalisch notwendigen Entscheidungen in einer Band. Das will ich möglichst vermeiden. Mein privater Freundeskreis besteht aus mehr Nichtmusikern als Musikern. Dadurch wird es etwas leichter. Wenn ich als Komponist und Bandleader einen bestimmten Sound im Kopf habe, dann traue ich mich heute, meinen Bandmitgliedern klar zu sagen, was ich will, und nicht immer alles gruppendynamisch auszudiskutieren.“
Neben den genannten Bands spielt Trumann auch im Posaunensatz des Cologne Contemporary Jazz Orchestra. Diese Big Band gibt es schon mehr als 15 Jahre. Und er hat seine Band MAKKRO. Dazu Fabian Arends: “MAKKRO entstand während unserer Zeit an der Kölner Musikhochschule. Das war ursprünglich eine Idee von Sebastian Gramss, zwei akustische Trios zusammenzufügen. In der Zwischenzeit ist daraus ein echtes Sextett geworden und wir haben elektronische Sounds aufgenommen. Die Besetzung mit zwei Bassisten und zwei Schlagzeugern erfordert eine spezielle Herangehensweise, damit man sich nicht gegenseitig auf die Füße tritt. Das klappt gut.“ Recht neu ist Janning Trumanns New York Quartet, für das er einen seiner Professoren an der New York University, Bassist Drew Gress, gewinnen konnte sowie den in New York lebenden deutschen Schlagzeuger Jochen Rückert und den Kölner Vibraphonisten Dierk Peters, auch Stipendiat in New York. Hier ist die Musik melodischer als in den anderen Bands und deutlich mitbestimmt von der exzellenten Rhythm Section.
2018 startet Janning Trumann sein eigenes Label, Tangible Music. Mit „Be Here, Gone and Nowhere“ des New York Quartet ist die erste Veröffentlichung bereits als Download verfügbar, im März 2018 erscheint die neue Trillmann CD “Foen“, die die tonalen Möglichkeiten des Quartetts vorzüglich auslotet. Trumann setzt langfristig eher auf elektronische Wege: “Eigentlich ist die CD tot. Man kann sie nur noch bei Konzerten verkaufen. Jüngere Leute kaufen überhaupt keine CDs mehr, die hören nur noch übers Internet.“ So werden die Tangible Music Veröffentlichungen alle als Download angeboten, aber nur ausgewählte als CD. “Ein eigenes Label gibt mir alle Freiheiten, was ich wann wie veröffentlichen will. Ein größeres bekanntes Label hätte für mich mehr Einschränkungen als Nutzen. Mit der Marketing-Seite muss ich mich sicher mehr beschäftigen. Aktuell zeigt sich, dass die Positionierung von drei verschiedenen Quartetten nicht so einfach zu kommunizieren ist.“
Janning Trumann ist ein Wirbelwind mit viel Potential. Er wirkt bestimmt, aber nicht hektisch. Hans-Martin Müller: “Ein bisschen erkenne ich mich in ihm wieder, wie ich in dem Alter war. Aber ich hatte ja schon früh eine auskömmliche Festanstellung in einem Orchester, dagegen geht Janning volles Risiko.“ Trumann lebt in einer WG in Köln mit zwei Unternehmensberaterinnnen zusammen. McKinsey würde ihn sicher auch gern sofort einstellen. Zum Glück hat er sich für die Musik entschieden.
Hans-Bernd Kittlaus
Aktuelle Veröffentlichungen:
Janning Trumann New York Quartet: Be Here, Gone and Nowhere, Tangible Music (CD + Download)
Trillmann: Foen, Tangible Music (CD + Download)
Janning Trumann Quartet (mit Verneri Pohjola + Dierk Peters): Rise and Fall, Tangible Music (nur Download, ab Mai 2018)
MAKKRO: .why, KLAENGrecords