The Modern Jazz Quartet: The Complete Atlantic Studio Recordings 1956-64 (7 CDs), Mosaic MD7-249

The Modern Jazz QuartetMJQ

The Complete Atlantic Studio Recordings 1956-64 (7 CDs)

Mosaic MD7-249

Die Mehrheit der Jazz-Podium-Leser wird das Modern Jazz Quartet bestenfalls in seiner letzten Schaffensperiode live erlebt haben, also nach seiner Wiedervereinigung 1981 bis zum Tod des Schlagzeugers Connie Kay 1994. Trotz kommerziellen Erfolgs wirkte die Band in dieser Zeit wie ein versteinertes Relikt aus vergangenen Zeiten mit kammermusikalischem Jazz in großen Konzertsälen für ein Publikum, das nicht unbedingt aus Jazz Fans bestand, dargeboten im Smoking und häufig mit einem lustlosen bis missmutigen Milt Jackson. Diese 7-CD-Box des amerikanischen Reissue-Labels Mosaic bietet nun die Gelegenheit, die Band, die insgesamt 39 Jahre (mit 7 Jahren Pause) in unveränderter Besetzung zusammenspielte, in einer frühen Phase zu erleben. Ihre Wurzeln gehen auf die Dizzy Gillespie Big Band der 1940er Jahre zurück, als Dizzy seinen Bläsern dadurch Pausen verschaffte, dass er die Rhythmusgruppe allein spielen ließ. Die bestand aus Pianist John Lewis, Vibraphonist Milt Jackson, Bassist Ray Brown und Schlagzeuger Kenny Clarke. Mit Percy Heath statt Ray Brown machte die Gruppe 1951 erste Aufnahmen für Gillespie’s Dee Gee Label als Milt Jackson Quartet. Ab 1952 traten sie unter dem Namen Modern Jazz Quartet auf, ab 1955 dann in der endgültigen Besetzung mit Connie Kay auf dem Schlagzeugschemel statt Clarke. 1956 war die Band bereits bekannt und erfolgreich mit Hits wie „Django“ und wechselte von Prestige zu Atlantic. Die vorliegende Box enthält neben einem informativen Begleitheft die 14 Studio-LPs, die die Band in den folgenden Jahren für Atlantic einspielte. Hier eröffnet sich ein breites stilistisches Spektrum mit erstaunlicher Experimentierfreude und einigen interessanten Gastsolisten. Im Zentrum steht die kreative Spannung zwischen dem akademisch-geprägten Musical Director und Pianisten John Lewis, gleichermaßen verwurzelt im Jazz und in der klassischen Musik, und dem Vollblut-Jazz-Vibraphonisten Milt Jackson als virtuosem Solisten. So bringt Lewis die an Bach angelehnte „Fugue for Music Inn“ ein, Jackson dagegen brilliert mit seiner Hardcore-Jazz-Komposition „Bags’ Groove“. Das Verdienst von Heath und Kay liegt darin, diese große Spannbreite kompetent und unspektakulär mit passendem Rhythmus zu unterlegen. Lewis stand dem Third Stream von Gunther Schuller nahe, mit dem das MJQ 1960 eine Aufnahme mit Symphonieorchester in Stuttgart einspielte. Sehr avantgardistisch klingen auch heute noch die Aufnahmen mit Klarinettist Jimmy Giuffre oder die an aktuelle „Neue Musik“ erinnernden Aufnahmen für die LP Pyramid mit Streichquartett. Mit Gitarrist Laurindo Almeida spielt das MJQ geschmackvoll Brasilianisches, mit Sonny Rollins sehr Jazziges. Der überwiegende Teil der Eigenkompositionen stammt von Lewis, darunter Standards wie „Django“ oder „Golden Striker“, die Fremdkompositionen reichen von Ornette Coleman’s „Lonely Woman“ bis zu Gershwin’s Porgy & Bess Melodien. Der musikalische Spagat des MJQ mit erkennbar eigenständigem Sound erforderte viel Mut angesichts mancherlei Anfeindungen, öffnete dem Jazz aber auch Türen in die Tempel der „E-Musik“. Die meisten dieser 50 Jahre alten Aufnahmen klingen auch heute noch frisch und lohnen ein Anhören nicht nur aus historischer Perspektive.

Hans-Bernd Kittlaus 30.07.11

Zu beziehen über: http://www.mosaicrecords.com/prodinfo.asp?number=249-MD-CD